Mittwoch, 20. April 2011

Chemisches Entspannen

Ich habe ja immer wieder Probleme mit einem verspannten Nacken. Nicht nur so ein bisschen, sondern so richtig übel: die Schultern, der Hals, über den Kopf hinweg bis hinter die Augen schmerzt es ganz furchtbar unangenehm. Meist lösen sich diese Verspannungen über Nacht wieder, nur manchmal wollen sie einfach nicht weg gehen. Zwar kann man die Schmerzen mit Aspirin unterdrücken, aber als ich den vierten Morgen in Folge mit einer Halsverspannung und den einhergehenden miesen Gefühlen aufgewachte, habe ich doch beschlossen, daß drastischere Maßnahmen angezeigt sind. Und ganz der Hobbyarzt, der ich bin, habe ich mir mal ein Muskelrelaxans verordnet. Eine ordentliche Gabe Tetrazepam oral soll auch meine verkrampfte Skelettmuskulatur wieder geschmeidig machen wie ein frisch geklopftes Schnitzel! Ich habe sogar die Packungsbeilage gelesen und war über die gar nicht so unwahrscheinlichen Nebenwirkungen, "Kann die Bewegungskoordination beeinträchtigen" und "Kann die Denkprozesse verlangsamen" durchaus im Klaren. Aber ich fahre ja eh' mit der U-Bahn zur Arbeit, muß keine Maschinen bedienen, und langsame Denkprozesse, das kennt mein Chef schon bei mir.
Also stand ich anderthalb Stunden später mit einem merkwürdigen, aber gar nicht mal unangenehm wattigen Gefühl im Kopf in der halbvollen U-Bahn und studierte Nebenwirkungen. Denn als die Bahn in einem Bahnhof etwas unsanft bremste, wollte mein linkes Bein plötzlich den Ruck des Zuges nicht mehr abfangen. Für einen Sekundenbruchteil verwandelte es sich vom Knie abwärts in irgendwas Puddingartiges, ich verlor das Gleichgewicht, und knallte unsanft in zwei Damen, die neben mir standen und sich unterhielten. Zum Glück erwischte ich noch irgendwie eine Haltestange, sonst hätte ich sie wohl Kraft meiner Masse vollends zu Boden gerissen. Doch grob war der Rempler allemal, und während ich mich ungeschickt aufzuraffen versuchte, begannen die Damen auch schon, sich fürsorglich bei mir zu erkundigen, ob ich denn noch alle Tassen im Schrank hätte. Und da war sie dann, die Verlangsamung meiner Denkprozesse! Oder genauer gesagt, da waren irgendwie gar keine Denkprozesse mehr. Normalerweise kommen einem ja fortwährend Gedanken in den Sinn, aber mein Gehirn hatte sich in eine sonnige Waldlichtung verwandelt, auf der sich kein einziges scheues Gedankenreh zeigen wollte. Ein merkwürdiges Gefühl, und so sah ich die beiden Damen wohl mit einer Mischung aus Überraschung und Orientierungslosigkeit, auf jeden Fall aber schweigend, an. Und das hat sie nicht gerade besänftigt, zumindest die kleinere und tempramentvollere der Beiden nicht. Unter dem zunehmenden Interesse der anderen Fahrgäste begann sie sich zu erregen und irgendwas zu erzählen von wegen meiner Rücksichtslosigkeit und groben Unverschämtheit, während ich auf einen Gedanken wartete, der dann hoffentlich zur Situation passen würde. Sie steigerte sich zu der (hoffentlich!) rhetorisch gemeinten Frage, warum ich die Frauen im Wagen denn nicht gleich niederschlagen würde. Und gerade da, als sie fragte, warum ich die Frauen nicht gleich niederschlagen würde, kam der erste Gedanke aus dem Dickicht hervor in den güldenen Sonnenschein meines Verstandes - und auch gleich in feierlich ernstem Ton über meine Lippen: "Das liegt an meinen Medikamenten."
Diese überraschend schlüssige Entgegnung brachte dann selbst die leidenschaftliche Dame zum sofortigen Verstummen, und widerstandslos ließ sie sich von ihrer etwas nervösen Begleiterin in die entgegengesetzte Richtung des Wagens wegziehen. Ich selbst stieg dann doch beim kommenden Halt aus und wartete auf den nächsten Zug. Aber meinem Hals, dem geht es schon wieder richtig gut!

1 Kommentar:

  1. Ich fress mich hier grade durch die Einträge nach hinten durch. Hier musste ich so laut lachen das ich’s dir einfach schreiben muss. "Das liegt an meinen Medikamenten." Herrlich! :-))

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