Montag, 18. Juli 2011

Morgengrauen auf Vesta

Der Focus Online bietet uns heute einen ausführlichen Artikel über die Raumonde Dawn und ihr gerade erreichtes Ziel, den Asteroiden Vesta. Und wieder einmal zeugt der Text von so viel Unverständnis über Asteroiden und das Sonnensystem, daß ich einfach Klugscheißen muß! Denn es geht schon los mit der Feststellung:
"Denn Vesta ist so alt wie unser Sonnensystem."
Das ist zwar völlig richtig, aber die Erde und alles Mögliche sonst im Sonnensystem sind so alt wie das Sonnensystem. Der Punkt bei Vesta ist, daß sie so alt wie das Sonnensystem ist und seit ihrer Entstehung zudem noch kaum verändert. Erst dadurch wird Vesta so richtig interessant.
Aber das ist natürlich längst nicht alles, was es zu bemängeln gibt. Über die Raumsonde Dawn etwa heißt es:
"Es ist der erste von Menschenhand geschaffene Flugkörper, der ein Himmelsobjekt im Asteroiden-Hauptgürtel erreicht."
Auch das ist ungenau, denn vorbeigeflogen an Himmelsobjekten im Asteroidenhauptgürtel sind schon eine Menge von Menschenhand geschaffene Flugkörper (z.B. Rosetta, Galileo,...). "Erreichen" heißt hier "in eine Umlaufbahn eintreten". Aber es gibt noch schlimmere Mißverständnisse:
"Nach heutigem Wissen ist Vesta einzigartig in unserem Sonnensystem. Denn die Astronomen vermuten, der Asteroid sei ein so genanntes Planetesimal, also ein Himmelskörper, der aus der Urzeit unseres Sonnensystems übrig geblieben ist, das vor 4,56 Milliarden Jahren entstand."
Hier sind zwar beide Sätze für sich genommen richtig, nur das "denn" dazwischen macht die Aussage falsch. Denn einzigartig ist Vesta nicht, weil sie (möglicherweise) ein Planetesimal ist. Es gibt jede Menge anderer Objekte im Sonnensystem, von denen man glaubt, die seien übrig gebliebene Planetesimale. Sämtliche Kometen zum Beispiel, Transneptunische Objekte, selbst manche Hauptgürtelasteroiden gehören dazu. Und weiter:
"Alle anderen bekannten Kleinkörper, die Asteroiden-Hauptgürtel zwischen den Bahnen der Planeten Mars und Jupiter um die Sonne kreisen, besitzen eine homogene, das heißt, an allen Stellen gleich zusammengesetzte innere Struktur. Vesta hingegen weist eine differenzierte Struktur auf."
Nein. Auch bei anderen großen Objekten im Asteroidengürtel wird eine mehr oder weniger ausgeprägte innere Differenzierung im Aufbau vermutet. Etwa bei Ceres, dem größten Objekt im Asteroidengürtel, ist eine inhomogene innere Zusammensetzung wahrscheinlich. Und auf einem kleineren Maßstab und aus anderen Gründen sind auch andere Objekte im Asteroidengürtel inhomogen aufgebaut, z.B. Elst-Pizarro, der wohl "Eistaschen" im Gestein enthält.
"Dieser zwiebelartige Aufbau ist ein Indiz dafür, dass Vesta eine Planetesimal sein könnte."
Wieder ein klares Nein. Denn obwohl der Begriff "Planetesimal" in der Astronomie keine einheitliche und klare Definition hat, wie so manch ein anderer Begriff auch - ein "zwiebelartiger Aufbau" ist ganz sicher kein Kennzeichen eines Planetesimals. Das hätte dem Autor des Focus aber auch selbst aufgefallen sein können, denn im Satz zuvor schreibt er noch, daß auch die "Pesteinsplaneten" Merkur, Venus, Erde und Mars einen schalenartigen Aufbau aufweisen, und die gelten ja nun gerade nicht mehr als Planetesimale, sondern als vollwertige Planeten. Ja, der Autor glaubte vorher ja selbst, Vesta sei als Planetesimal einzigartig!
"Durch Kollisionen von Protoplaneten, die auf sich kreuzenden Umlaufbahnen um die Sonne flogen, entstanden schließlich die großen Trabanten."
Äh, welche Trabanten? Die Planeten, als Trabanten der Sonne?
"Auch Vesta scheint in der Vergangenheit einen gewaltigen Einschlag überstanden zu haben. Darauf deutet jedenfalls ein gewaltiger Krater auf der südlichen Hemisphäre hin. Bei dem Aufprall entstanden vermutlich die Vestoiden, eine Gruppe von Asteroiden, deren Zusammensetzung spektroskopischen Untersuchungen zufolge dem Krustengestein von Vesta gleicht. Auch einige auf der Erde gefundenen Meteoriten bestehen aus diesem Gestein. Deshalb glauben die Himmelsforscher, dass die gewaltige Kollision auch Material aus tieferen Schichten ins All schleuderte."
Weil manche Meteoriten aus Krustengestein von Vesta bestehen, glauben "Himmelsforscher", daß auch Material aus tieferen Schichten ins All geschleudert wurde? Irgendwie erschließt sich diese Logik nicht so recht. Vielleicht hat dieser Glaube doch eher seinen Ursprung darin, daß nicht nur Gestein aus der oberflächennahen Kruste, sondern auch aus der tiefen Kruste/Mantel, eben Gestein jener "tieferen Schichten", in Meteoriten gefunden wird, und zudem ein großer Krater auf Vesta den Mantel unter der Kruste freigelegt hat?

Manchmal fragt man sich ja doch, ob so manch ein Autor selbst zu verstehen meint, was er da schreibt...?

5 Kommentare:

  1. Oh ja, sehr schön formuliert! Allerdings finde ich "erdnussförmig" super, denn sonst ist im Weltraum ja alles nur langweilig "kartoffelförmig"!

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  2. Hallo Thomas!
    Deine Blogs sind einfach die besten, vielen Dank.
    Wollte ich nur sagen.
    Der TV-Zeitungs-Pseudofachjournalismus ist ein Fiasko in diesem Land, und schreit geradezu danach, ad absurdum geführt zu werden.
    Daher vielen Dank.
    LG, Ulli (Dr. med. den Rasen ;)

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  3. Ich hab zwar auch keine Ahnung, fühle mich aber angenehm dumm, weil man beim Lesen des Artikels immer noch das Gefühl hat, schlauer als der Focus zu sein ...

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  4. @Ulli:
    Danke für das Lob!
    Allerdings kommt es beim Fachjournalismus sehr auf die Quelle an. Focus ist da immer ganz übel, die Zeit bekommt ab und an einen wirklich guten Artikel hin, und mit dem Wissenschaftsteil der FAZ kann man eigentlich ganz zufrieden sein...

    @janhoo:
    "weil man beim Lesen des Artikels immer noch das Gefühl hat, schlauer als der Focus zu sein"

    Das ist ja endlich eine richtig gute Erklärung, weshalb Menschen den Focus lesen! :D

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