Donnerstag, 22. Dezember 2011

Alles Mysteriöse kommt von oben

Was tut man, wenn ein mysteriöses Objekt vom Himmel fällt? Mulder und Scully rufen? Bloß nicht! Sonst vertuscht die amerikanische Regierung wieder mal alles, und es kommt gar nichts in die Zeitungen. So wie heute. Da ist in Namibia eine "mysteriöse Metallkugel" vom Himmel gefallen (oder, um es auch ja mißverständlich zu schreiben, "gelandet"). Spiegel Online ("mysteriös") sprang gleich drauf an und Focus Online (auch "mysteriös") und, natürlich, Bild ("unheimlich": Schießen Außerirdische jetzt mit Kanonenkugeln auf uns?) sind mit dabei.
Nun wäre es natürlich völlig unseriös, eine Ferndiagnose zu stellen, ohne die Kugel wenigstens einmal gesehen zu haben. Aber ich mache es trotzdem mal.

Metallkugeln dieser Größe dienen z. B. als Heliumtanks zur Stabilisierung des Treibstoffdrucks von Raketentriebwerken. Als solche sind sie bei Satelliten überaus weit verbreitet. Und wenn ein alter oder nicht mehr steuerbarer Satellit dann irgendwann wieder aus seiner Umlaufbahn auf die Erde zurück stürzt, dann landen diese Tanks auch wieder am Boden. Nicht einmal die Tatsache, daß diese Kugeln den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre in einem Stück überstehen, ist besonders neu. Schon Ende der Achtziger Jahre ist in Australien ein solcher Tank gefunden worden, mit einem Durchmesser von 29 cm und einem Gewicht von ebenfalls ca. 6 kg (Bilder und eine ausführliche Analyse dieser "mysteriösen" Kugel findet sich übrigens im Journal of the British Interplanetary Socienty: Lorenz & Zeitschel: An intact item of space debris with an exposure age of about 10 years, JBIS, 52, 439-442 (1999)). Diese konnte sogar mit einiger Sicherheit den sowjetischen Molnija-Kommunikationssatelliten zugeordnet werden.
Und so würde ich doch glatt das Weihnachtsgeschenk meiner Schwiegermutter verwetten, daß auch die namibische Kugel sowenig mysteriös ist wie eine zertretene Coladose in der Wüste. Aber Coladosen fallen zugegebenermaßen auch nicht vom Himmel...

Nachtrag 26.12.:
Laut Bild.de ist das "Rätsel um die unheimliche All-Kugel" gelöst. Sie verweist auf einen Artikel in einem englischsprachigen Magazin und erklärt, daß es sich wohl um einen Treibstofftank der Ariane 5 handle. Auf dem Detail, daß der erwähnte Ariane 5-Tank einen Durchmesser von 48 cm und ein Gewicht von 8,5 kg hat, während Bild im selben Artikel schreibt, der gefundene Tank hätte einen Durchmesser von 35 cm und ein Gewicht von 6 kg, wollen wir mal nicht herumreiten. Auch wenn der gefundene Tank nicht der jetzt Gezeigte einer Ariane 5 ist - die Richtung, in die sich Bild von der außerirdischen Kanonenkugel weg bewegt, ist schon mal gar nicht schlecht...!

Nachtrag 27.12.:
Wie schön, der Focus Online schreibt die von Bild.de bei Klatschseite gawker.com abgeschriebene Erklärung mit dem Tank auch ab. Nur das mit der Größe ist so eine Sache: beiden ist noch nicht aufgefallen, daß eine Kugel  mit 35 cm Durchmesser kein 39-Liter-Treibstofftank sein kann...

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